Demokratie-Konzeptionen

Elektorale Demokratie

Konzeptioneller Kern: freie und faire Wahlen

Die Demokratie ist ein System, in dem amtierende Regierungen Wahlen verlieren und daraufhin abtreten. (Adam Przeworksi)

Robert Dahl: Sechs Kriterien oder minimale Garantieren für eine “Polyarchie”

  1. Gewählte Repräsentanten
  2. Freie, faire und regelmäßige Wahlen
  3. Meinungsfreiheit
  4. Zugang zu alternativen Informationen
  5. Organisationsfreiheit
  6. Inklusive (Wahl-)Bürgerschaft

Nennen Sie drei der von Robert Dahl (1971) genannten minimalen Garantieren oder Kriterien für eine Polarchy oder elektorale Demokratie!

Sechs Kriterien korrespondieren mit zwei grundlegenden analytischen Dimensionen:

  • Wettbewerb (contestation)
  • Inklusivität / Partizipation (inclusion)
    • Inklusion = Anteil der Wahlberechtigten an der erwachsenen Bevölkerung

Welche beiden analytischen Dimensionen werden in Robert Dahls (1971) Demokratiekonzeption unterschieden?

Liberale Demokratie

Vielen ist das elektorale Demokratiekonzept zu “minimalistisch”

  • Liberale Demokratie fügt weitere Kriterien hinzu
  • Elektorale & liberale Demokratie können sich also unterschieden, aber die Werte für liberale Demokratien bauen auf denen für elektorale Demokratien auf

Zusätzliche Kriterien:

  1. Rechtsstaatlichkeit (rule of law)
    • wird in Teilen auch schon bei einer elektoralen Demokratie vorausgesetzt
  2. Garantie weiterer Freiheitsrechte (z.B. Religionsfreiheit)
  3. Wechselseitige Gewaltenkontrolle (insbesondere Kontrolle der Exekutive)
    • z.B. durch unabhängige und auch befolgte Gerichtsurteile

Kann es eine liberale Demokratie ohne eine elektorale Demokratie geben?

Kritiker des Konzepts:

  • freie und faire Wahlen seien der Kern der Demokratie
  • “illiberale” Demokratie sei eine logische Möglichkeit
  • zu weitgehende “liberale” Beschränkungen der Mehrheit (z.B. durch Verfassungsgerichte) seien selbst eine Einschränkung der Demokratie

Verteidiger des Konzepts:

  • sie sei die einzig “echte” oder “höchste” Form der Demokratie
  • elektorale Demokratie sei also eine schwächere Stufe der Demokratie
  • “illiberale Demokratie” sei ein Widerspruch in sich

Demokratie-Messungen

dichotome (ja / nein) vs. kontinuierliche Messung

Boix, Miller, Rosato

Dichotome Messung von elektoraler Demokratie (3 Kriterien, orientiert an Dahl)

  1. Die Regierung wird direkt oder indirekt durch Volkswahlen ausgewählt und sie ist den Wählern oder dem Parlament gegenüber direkt verantwortlich
  2. Das Parlament (oder die Regierung, falls sie direkt gewählt ist), wird in freien und fairen Wahlen ausgewählt
  3. Die Mehrheit der erwachsenen Männer besitzt das Wahlrecht

Nennen Sie eine Demokratie-Messung, die Demokratie als dichotome Variable versteht!

V-Dem

Kontinuierliche Messung von elektoraler Demokratie und vielem mehr

  • sehr großes internationales Projekt, das auch sehr viele Daten bereitstellt
  • viele Variablen, die zu einem Index zusammenfließen (orientiert an Dahl)
  • Electoral Democracy Index zwischen und
  • viele Variablen basieren auf (gemittelten) Experteneinschätzungen

Nennen Sie eine Demokratie-Messung, die Demokratie als kontinuierliche Variable versteht!


Modernisierungstheorie

Warum sind manche Länder Demokratien und andere nicht?

  • grundsätzlich viele Erklärungen denkbar: Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft, Religion, Geschichte, internationales Umfeld, Institutionen
  • Modernisierungstheorie fokussiert sich auf ökonomischen Wohlstand / Reichtum
    • Erklärung von demokratischer Entwicklung und / oder Stabilität
    • einige andere Faktoren wie z.B. kultureller Wertewandel lassen sich auf auf diese Theorie beziehen

The more well-to-do a nation, the greater the chances that it will sustain democracy. (Seymour Martin Lipset)

Zentrale Idee der Modernisierungstheorie:

  • Wirtschaftliche Entwicklung transformiert die Struktur einer Gesellschaft, so dass es die “Nachfrage” nach und evtl. auch das “Angebot” von Demokratie stärkt
  • Empirischer Ausgangsbefund: Deutliche Korrelation zwischen Reichtum (Pro-Kopf-Einkommen) und Demokratie

Welche beiden Variablen setzt die Modernisierungstheorie miteinander in Beziehung?

Kausale Mechanismen

  • Entwicklung Bildung Demokratisierung
  • Entwicklung größere Mittelschicht Demokratisierung
  • Entwicklung organisierte Arbeiterschaft Demokratisierung
  • Entwicklung (emanzipatorischer) Wertewandel Demokratisierung

Nennen Sie stichwortartig einen kausalen Mechanismus, der laut der klassischen Modernisierungstheorie zwischen diesen beiden Variablen vermitteln kann?

Alternative MT

Klassische MT nimmt an, dass Reichtum nicht nur bereits bestehende Demokratien schützt, sondern auch deren Entstehung fördert Sicht ist umstritten (siehe z.B. Singapur und China)

Survival Story: Nur wenn eine Demokratie bereits entstanden ist, wird sie durch Reichtum stabilisiert

  • Entstehung von Demokratien kann als Zufallsprozess verstanden werden, der von der Theorie nicht erklärt werden kann

Clark/Golder/Golder sehen klassische Theorie als besser bestätigt

In der Vorlesung wurde zwischen der klassischen Modernisierungstheorie und einer alternativen Theorie unterschieden. Wie unterscheiden sich die jeweiligen Hypothesen?

Kausale Mechanismen II

Die Wahl zwischen Demokratie und Diktatur ist eine Wahl zwischen einem System

  • das minimale Lebens- und Konsumstandards garantiert (Demokratie)
  • in dem alles gewonnen oder verloren werden kann (Diktatur)

Je größer der Reichtum, desto weniger möchte man das Risiko eingehen

  • Beispiel: umstrittene Wahlen in Costa Rice 1948 ( Bürgerkrieg) & USA 2000 ( kein Bürgerkrieg)

Vermittelnde Position

Ökonomische Entwicklung erhöht Wahrscheinlichkeit für Demokratie, aber nur unter bestimmten Bedingungen

  • Es braucht insbesondere einen Führungswechsel im Regime (Wachstum macht es allerdings der Führung leichter, an der Macht zu bleiben)
  • Höherer Wohlstand trägt bei Führungswechsel mit Übergang zur Demokratie zur Stabilisierung der Übergangsphase bei

Ressourcenfluch

Zusammenhang zwischen Reichtum & Demokratie gilt auch nicht, wenn Reichtum auf natürlichen Ressourcen (z.B. Öl) basiert

  • Dann ist nämlich Reichtum ohne Modernisierung möglich (z.B. geringere Industrialisierung, Bildung, Einfluss von Frauen)
  • Gilt nicht unbedingt, wenn das Land schon vor Ressourcenfund Demokratie war (z.B. Norwegen)
  • Nach 1973 ist die Korrelation zwischen Reichtum und Demokratie schwächer geworden, weil Aufstieg reicher öl-exportierender Staaten stattgefunden hat

Nennen Sie einen Fall, der recht eindeutig der Modernisierungstheorie widerspricht!

Neue Welt?

  • Lange Zeit galt, dass nach 1950 keine Demokratie scheiterte, deren Pro-Kopf-Einkommen größer war als das von Argentinien in 1985
    • Die letzten Jahre lassen Zweifel daran (siehe Türkei, Ungarn, USA | deutlich reicher als Argentinien 1985)
    • Türkei und Ungarn laut V-Dem keine (elektoralen) Demokratien mehr

When I apply this statistical model to the US, with its income and its past 23 partisan alternations in the office of the president, I find that the probability that democracy would die in the US is 1 in 1.8 million country-years, zero. (Adam Przeworski)


Regierungssysteme in Demokratien

  • Parlament und Regierung werden durch Wahlen autorisiert
    • Parlament immer direkt von den Wählern, Regierung variiert
    • Unterscheidung von Wahlen und Abwahlen
  • Wird die Regierung direkt von den Wählern oder indirekt über das Parlament autorisiert? Und wie genau? Regierungssystem
  • sechs grundlegende Regierungssysteme, davon drei häufig (hier vier abgebildet)

Zeichnen Sie das Schema eines

  1. präsidentiellen Systems
  2. parlamentarischen Systems
  3. versammlungsuabhängigen Systems

Geben Sie je ein Länderbeispiel!