Demokratien nach Lijphart
- Demokratien lassen sich bezüglich ihrer Mehrheits- oder Konsensorientierung unterscheiden und messen (eine Skala)
- wird durch unterschiedliche messbare Variablen eingefangen
- vergleichbar mit Demokratiemessung von V-Dem

Funktioniert empirisch auf einer Skala nicht gut (zu große Abweichungen innerhalb eines Staates) wir betrachten zwei Dimensionen
- Effektive Anzahl der Parteien Anzahl der “parteilichen” Vetospieler
- Institutionelle Vetospieler / “Vetopunkte”
- beschränken Macht der Parlamentsmehrheit (1. Kammer)
- bei Lijphart: föderaler Staatsbau | starke zweite Kammer | starke Verfassungsgerichtbarkeit | schwer zu ändernde Verfassung | unabhängige Zentralbank

Nennen Sie zwei der institutionellen Vetopunkte/-spieler, die Arend Lijphart in seiner Demokratietypologie berücksichtigt.
Typ 1: Pluralitäre Demokratie
UK, Bahamas (Westminster-Demokratie)
Merkmale:
- Relative Mehrheitswahl
- Zwei-Parteien-System
- Ein-Parteien-Mehrheitsregierung
- Keine / schwache Vetopunkte
Bei Lijphart: “Mehrheitsdemokratie”
- Problem: Mehrheitswahl relative Wählermehrheit (plurality, z.B. 35%) kann absolute Parlamentsmehrheit erreichen
- Jack Nagel und andere: “Pluralitäre Demokratie”
Länder wie Bahamas oder Barbados werden von manchen Autoren (z.B. Jack Nagel) als „pluralitäre“ Demokratien bezeichnet. Was ist der Grund dafür?
Typ 2: Echte Mehrheitsdemokratie
Dänemark, Israel
Merkmale:
- Verhältniswahl
- Mehrparteien-System
- Koalitions- und / oder Minderheitsregierungen
- Keine starken Vetopunkte
Bei Lijphart: “Konsensdemokratie”
- Problem: führt nicht unbedingt zu konsensuellem Verhalten (z.B. Israel)
- Jack Nagel und andere: “Mehrheitsdemokratie”, da Parlamentsmehrheiten auch Wählermehrheiten repräsentieren
Nennen Sie ein Land, das von Lijphart zumindest entlang einer der beiden Dimensionen als Konsensdemokratie klassifiziert wird, aber keine „konsensuale“ politische Kultur besitzt.
Länder wie Dänemark oder Israel werden von manchen Autoren (z.B. Jack Nagel) als „echte“ Mehrheitsdemokratien bezeichnet. Was ist der Grund dafür?
Typ 3: Konsensdemokratie (Supermajoritär)
Deutschland
Merkmale:
- Verhältniswahl
- Mehrparteien-System
- Koalitions- und / oder Minderheitsregierung
- Viele / starke Vetopunkte
Wenige gute Beispiele, am ehesten Deutschland (Föderalismus, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht)
- Problem: führt nicht unbedingt zu konsensualer Kultur (z.B. Belgien)
Typ 4: Lose Enden
Australien, USA
Merkmale:
- Mehrheitswahl (zumindest in erster Kammer)
- Zwei-Parteien-System (zumindest in erster Kammer)
- Ein-Parteien-Mehrheitsregierungen
- Viele / starke Vetopunkte
Länder dieses “Typs” sind sehr unterschiedlich
- z.B. Australien (Verhältniswahl 2. Kammer) vs. USA (Mehrheitswahl 2. Kammer)
Geben Sie jeweils ein Länderbeispiel für eine Konsens- und eine Mehrheitsdemokratie im Sinne von Arend Lijphart (1984, 2012).
Anderer Blick

“Performanz” von Demokratien (Lijphart)
- Hauptbefund: “Konsensdemokratien” hätten häufig bessere Ergebnisse geliefert und (fast) nie schlechtere
- z.B. in Bezug auf Wahlbeteiligung, niedrige Korruption, Wirtschaftswachstum
- bezieht sich dabei nur auf Parteidimension (effektive Anzahl von Parteien)
- Letztlich vor allem Plädoyer für Verhältniswahl und Mehrparteiensysteme
- aber keine Unterscheidungen innerhalb dieser Gruppe (bezüglich Vetopunkte)
Was führt nach Arend Lijphart (1999, 2012) eher zu guten Politikergebnissen in einer Demokratie (z.B. geringer Korruption):
- viele parteiliche Vetospieler oder
- viele institutionelle Vetospieler?
In welchem Typ der Demokratie nach Lijphart sind Verantwortlichkeiten für die Regierungspolitik klarer verteilt: Konsens- oder Mehrheitsdemokratie?
Geben Sie zwei Beispiele für institutionelle Reformen, die Deutschland wahrscheinlich „konsensdemokratischer“ im Sinne von Arend Lijphart machen würden – je ein Beispiel für Lijpharts zwei Dimensionen.
Geben Sie zwei Beispiele für institutionelle Reformen, die Deutschland wahrscheinlich „mehrheitsdemokratischer“ im Sinne von Arend Lijphart machen würden – je ein Beispiel für Lijpharts zwei Dimensionen.
Das Rätsel der Schweiz
Bei Lijphart bestes Beispiel für Konsensdemokratie
- Seit 1959 fast ununterbrochen durch die vier größten Parteien gemeinsam regiert
- Zauberformel: 2 Ministerien für Sozialdemokraten, Liberale, Rechtspopulisten und 1 Ministerium für die konservative Mitte Regierung steht vor der Wahl fest
- Lijphart: “übergroße Koalition” als Ausdruck des “konsensdemokratischen” Charakters der Schweiz
- aber: das vernachlässigt Regierungssystem
In der Schweiz steht durch eine lange etablierte Konvention im Prinzip schon vor der Wahl fest, welche Partei wie viele Ministerien erhält. Wie heißt diese Konvention?
Rats- oder Direktorialsystem

- Regierung (Bundesrat) wird vom Parlament gewählt (parlamentarisch), kann aber nicht abberufen werden (präsidentiell)
- Da die Regierung nicht durch das Parlament stabilisiert werden muss, kann mit wechselnden Mehrheiten regiert werden
- wechselnde Mehrheiten: keine Vetospieler | Medianparteien in den meisten Gesetzgebungskoalitionen vertreten | “Regierungsparteien” können in Bezug auf einzelne Gesetze in der Opposition sein
- auf der Ebene der Gesetzgebung eher “echte Mehrheitsdemokratie” (minimale Gewinnkoalitionen) statt “übergroße” Koalition

Zeichnen Sie das Schema für das Regierungssystem der Schweiz (versammlungsunabhängiges System oder Direktorialsystem)
Sind die Regierungsparteien in der Schweiz parteiliche Vetospieler im Sinne der Theorie von Tsebelis?
Manche Autoren bezeichnen die Schweiz als „echte Mehrheitsdemokratie“. Stützt sich diese Aussage eher auf die Regierungskoalitionen oder die Gesetzgebungskoalitionen?
In welcher Demokratie hat die Medianpartei im Parlament mehr Macht: in Deutschland oder in der Schweiz? Begründen Sie kurz.
Warum nicht kopiert?
Modell hat auch seinen Preis
- Wähler haben fast keinen Einfluss auf Regierungszusammensetzung können keine Richtungsentscheidungen (rechts / links) treffen
- folglich auch geringe Wahlbeteiligung (40 bis 50 Prozent)
- außerdem nur in Verbindung mit der Direktdemokratie stabil
Nennen Sie einen Vorteil und einen Nachteil des schweizerischen Demokratiemodells.
Direkte Demokratie in der Schweiz
“von unten” ausgelöste Verfahren
- Volksinitiative (seit 1891)
- Änderung der Bundesverfassung
- 100.000 Unterschriften innerhalb von 18 Monaten
- Parlament kann Gegenvorschlag ausarbeiten, Annahme benötigt Mehrheit der Abstimmenden und Mehrheit der Kantone
- Fakultatives Referendum (seit 1874)
- Veto gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz
- 50.000 Unterschriften innerhalb von 100 Tagen
- einfache Mehrheit der Abstimmenden
Nennen Sie die beiden von unten ausgelösten direktdemokratischen Verfahren der Schweiz.
Was kann in der Schweiz durch eine Volksinitiative verändert werden?
Regierungssystem und “halbdirekte” Demokratie bedingen sich:
- direktdemokratische Verfahren kompensieren, dass die Bürger bei der Regierung keine Richtungsentscheidung treffen können
- Modell kann mit permanenter Drohung eines Volksvetos umgehen
- Einbindung der größten Parteien antizipiert Vetos und fördert Kompromisse (Parteien steuern Kampagnen bei Vetos)
- gleichzeitig aber kein Vetorecht median-orientiertes System
Einzelne Verfahren lassen sich nicht ohne weiteres in andere Länder einpflanzen:
- können sich gegenseitig bedingen und stabilisieren
- umstritten, wie gut die starken direktdemokratischen Verfahren mit dem parlamentarischen Regierungssystem vereinbar sind
- z.B. BSW forderte “Bürgerveto” nach Schweizer Modell für Thüringen könnte zu starken Blockaden führen (Mobilisierung der Wähler gegen Regierungspolitik)
Das BSW fordert für Thüringen ein Bürgerveto. Welches direktdemokratische Verfahren der Schweiz dient für diese Forderung als Vorbild?