Koalitionen

Koalition ist ein Bündnis oder Zusammenschluss von Individuen, Organisationen, Staaten oder Parteien zur Durchsetzung gemeinsamer Ziele

  • Hier Fokus auf Parteien
  • Drei Ebenen der Koalitionsbildung: Wahlbündnisse | Regierungskoalitionen | Gesetzgebungskoalitionen

Typologie

MinderheitMinimale Mehrheit (keine Partei entbehrlich)übergroße Mehrheit (mind. eine “überflüssige” Partei)
Eine ParteiEinparteien-MinderheitsregierungEinparteien-Mehrheitsregierung
KoalitionMinderheitskoalitionMinimale Gewinn-KoalitionÜbergroße Koalition

Theorien zur Regierungs- und Koalitionsbildung

Welcher Typ bildet sich? | Welche Parteien kommen rein?

Typische Annahmen über Präferenzen der Parteien (Rational Choice | trias):

  • Ämter (office): Ministerposten u.ä.
  • Inhalte (policy): Inhalte durchsetzen
  • Wählerstimmen (votes): bei nächster Wahl

Welche drei Ziele oder Motive von Parteien werden in der Koalitionstheorie unterschieden?

Frühere Theorien:

  1. Reines office-seeking (William Riker): möglichst viele Ämter sammeln minimale Gewinnkoalition
  2. Reines policy-seeking (Robert Axelrod): geringe inhaltliche Distanz minimale verbundene Gewinnkoalition (erklärt ggf. auch übergroße Koalitionen)

Minimale Gewinnkoalitionen scheinen eine gute Vorhersage zu sein, aber Minderheitsregierungen und übergroße Koalitionen kommen tatsächlich häufig vor

Welcher Koalitionstyp lässt sich vorhersagen, wenn Parteien nur an Ämtern interessiert sind? Erläutern Sie kurz den Grund für diese Vorhersage kurz.


Minderheitsregierungen

  1. “formale” Minderheitsregierung: hat feste Unterstützungspartner vorab mit entsprechenden Abkommen ausgehandelt
    • Unterstützungspartei erhält aber keine Ministerposten
    • regieren im Extremfall als “versteckte” Mehrheitsregierungen
    • Sachsen-Anhalt 1994 - 2002 (“Magdeburger Modell”)
  2. “substantielle” Minderheitsregierung: keine festen Unterstützungspartner
    • flexible Suche nach Gesetzgebungsmehrheiten im Parlament (wechselnde Mehrheiten)
    • Nordrhein-Westfalen 2010 - 2012

Minderheitsregierungen:

  • Welche zwei Typen lassen sich unterscheiden.
  • Erläutern Sie den Unterschied zwischen ihnen kurz?
  • Bei welchem Typ würden Sie eher das Vorkommen von Gesetzgebungsblockaden vermuten (deadlock)? Begründen Sie ihre Antwort kurz.

Policy-Ziele und Wählerstimmen

Sicht der Opposition | Theorie von Kaare Strom

  • Opposition kann ihre Policy-Ziele auch außerhalb der Regierung erreichen (Verhandlungen mit Regierung, Ausschüsse)
  • Verbleib in der Opposition kann helfen, die Wählerstimmen-Ziele zu verfolgen
    • Regierungsparteien verlieren häufig Stimmen, Juniorpartner tendenziell stärker (Wähler strafen für zu große Kompromissbereitschaft ab)
    • Opposition muss unpopuläre Politik nicht mittragen, kann sich auf Einfluss bei wenigen für die Partei wichtigen Themen konzentrieren

Warum kann es für eine Partei rational sein, mit einer Minderheitsregierung aus der Opposition heraus zu verhandeln anstatt in die Regierung einzutreten?

Medianpartei und gespaltene Opposition

Sicht der Minderheitsregierung

Eine Minderheitsregierung kann leichter regieren, wenn

  • sie die Medianpartei (auf den wichtigsten Konfliktdimensionen) mit einschließt, also den Medianabgeordneten in ihrer Reihe hat
    • in der Realität komplexer: Oppositionsparteien können (wahlstrategisch) stärker auf Konfrontation gehen | Medianpartei nicht bei jedem Thema diesselbe
  • sie die Agenda-Macht besitzt (z.B. Drohung mit Vertrauensfrage und Parlamentsauflösung | etwa bei Mehrheit gegen die Regierung)
    • in Dänemark kann Premierminister jederzeit das Parlament auflösen

  • Relativer Anteil substantieller Minderheitsregierungen hat im Zeitverlauf aber abgenommen

Regierungsbildung

Innovative Regierungsformate (Minderheitsregierung)

Vertrags-Parlamentarismus:

  • Schweden, Neuseeland
  • “confidence and supply”-Vereinbarungen mit mindestens einer Oppositionspartei, um sich beim Haushalt und Misstrauensvotum Unterstützung zu sichern
  • z.B. allgemeine Zusagen, die politischen Prioritäten von support parties zu berücksichtigen oder Vereinbarungen über konkrete Gesetzgebungsprojekte
  • In Neuseeland sogar “support party ministers”:
    • Teil der Regierung, aber nur in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich zur Kabinettsdisziplin verpflichtet
    • sonst können sie im Rahmen von agree-to-disagree-Klauseln abweichend sprechen oder abstimmen
    • 2005 - 2008: Unterstützer-Partei (NZ First) stellte den Außenminister, der aber nicht Teil des Kabinetts war, sondern sich bilateral mit der Premierministerin traf

Gründe für übergroße Koalitionen

Viele unterschiedliche Gründe, je nach Land und Kontext

  • Axelrod: zusätzliche Partei erhöht die ideologische Spannweite der Koalition nicht
  • Mehrheitsregel gilt gar nicht (z.B. wenn wichtige Projekte Verfassungsänderungen erfordern oder zusätzliche Unterstützung 2. Kammern notwendig ist)
  • Ausgleich für geringe Parteidisziplin
  • Kleinere Koalitionspartner ausbalancieren oder gegeneinander ausspielen
  • Fortsetzung von Wahlbündnissen (z.B. in Mehrheitswahlsystemem wie Frankreich)
  • Man braucht den überflüssigen Partner in der Zukunft wieder
  • Signale über die Ausrichtung der Regierungspolitik (Finnland 1990er Jahre, “nationale Einheit”)

Präsidentielle Systeme

Es gibt wichtige institutionelle Unterschiede

“Formateur”: Akteur, der mit Regierungsbildung beauftragt wird

  • Stets der Präsident
  • Im parlamentarischen System durch Wahlergebnis bestimmt (meist Partei mit meisten Stimmen)
  • Wenn eine Koalitionsbildung scheitert, kann der Präsident versuchen, alleine zu regieren
    • kann ohne Mehrheitsunterstützung im Amt bleiben
    • geringere Verhandlungsmacht der Parteien bei der Regierungsbildung (außer evtl. Partei des Präsidenten)

Konsequenzen:

  1. Koalitionsregierung in präsidentiellen Systemen tendenziell weniger häufig
    • wenn sie können, regieren Präsidenten häufiger allein
    • Präsidenten mit starker Vetomacht regieren eher allein (Parlament kann nichts “gegen” sie durchsetzen)
  2. Minderheitsregierungen in präsidentiellen Systemen häufiger
    • Präsidenten müssen keine Angst vor instabilen Regierungen haben
  3. Weitere Unterschiede bei der Verteilung von Ministerien

Nennen Sie einen Unterschied zwischen präsidentiellen und parlamentarischen Regierungssystemen, der für die Bildung von Regierungskoalitionen von Bedeutung ist.

Nennen Sie zwei Beispiele dafür, wie sich die Muster der Koalitionsbildung in präsidentiellen und parlamentarischen Regierungssystemen unterscheiden.


Verteilung von Ministerien

Gamsons Gesetz

In parlamentarischen Systemen (insbesondere Westeuropa) starke “Gesetzmäßigkeit” bei der Verteilung von Ministerposten im Kabinett (“Portfolios”) an die Parteien

Vorhersage von Gamson:

  • Ministerposten werden zwischen den Regierungsparteien strikt proportional zur Anzahl der Sitze verteilt, die jede Partei zur Regierungsmehrheit beiträgt
  • In erstaunlichem Maße bestätigt: Studien finden Proportionalitätswerte von bis zu (auf einer Skala zwischen und )
    • Die “Formateur”-Partei kann sich also in parlamentarischen Systemen keinen Vorteil bei der Ministerienverteilung verschaffen
    • Aber: kleine Parteien liegen eher über der Linie perfekter Proportionalität, größere darunter
      • Erklärungen: größere Stabilität (kleine Parteien haben mehr zu verlieren) | mehr wichtige Ministerien | mehr inhaltliche Gewinne (näher am Idealpunkt) für größere Parteien

Präsidentialismus: Präsidenten nutzen Vorteil ihrer Nicht-Abberufbarkeit und sichern einen größeren Anteil der Ministerien

  • Studien finden Proportionalität von ca.
  • Sichern sich auch die wichtiger Ministerien
  • Proportionalität ist geringer, wenn der Präsident über mehr formale Macht verfügt (z.B. Dekret-Macht) und somit unabhängiger vom Parlament regieren kann

Semi-Präsidentialismus: liegen zwischen parlamentarischen und präsidentiellen Systemen

  • aber näher an parlamentarischen
  • Grund: auch hier Beschränkung des Misstrauensvotums

Was bezeichnet man in der Koalitionsforschung als Gamsons Gesetz?

Wenn von Gamsons Gesetz abgewichen wird, findet das tendenziell zu wessen Gunsten statt?

  • Nennen Sie eine mögliche Erklärung für diese Abweichung.

Parteilose Experten

  • Präsidenten haben größere Freiheit, solche Experten zu ernennen, da sie die Interessen der Parlamentsfraktionen weniger berücksichtigen müssen
  • 2,5% in parlamentarischen | 7% in semi-präsidentiellen | 21% in präsidentiellen Systemen
  • Präsidenten mit größerer formaler Macht ernennen tendenziell mehr parteilose Minister

Militärs als Verteidigungsminister

  • 6% in parlamentarischen | 11% in premier-präsidentiellen | 21% in präsidentiell-parlamentarischen | 33% in präsidentiellen Systemen
  • Militärische Verteidigungsminster beeinflussen auch die Substanz der Verteidigungspolitik
  • Andere Studien: präsidentielle Demokratien geraten doppelt so häufig in militarisierte Konflikte miteinander wie andere Demokratien
    • in Bezug auf Konflikte unter der Schwelle von Kriegen lassen sich präsidentielle Systeme gar nicht von Autokratien unterscheiden

Wenn ein Präsident in einem präsidentiellen System mit Dekreten am Parlament vorbei regieren kann, wird der Anteil unabhängiger, nicht parteigebundener Minister im Kabinett eher groß oder klein sein? Begründen Sie Ihre Antwort kurz.

Zu welchem Regierungssystem passen die folgenden Eigenschaften von Regierungen eher? Präsidentiell oder Parlamentarisch?

  • Es werden häufiger Koalitionsregierungen gebildet.
  • Es werden häufiger Minderheitsregierungen gebildet.
  • Gamsons Gesetz gilt in stärkerem Maße.
  • Es werden häufiger nicht-parteiliche Experten zu Ministern gemacht.
  • Die Verteidigungsminister kommen häufiger aus dem Militär.